Meditation für Skeptiker

Tim Parks hatte sich schon damit abgefunden, bis ans Ende seiner Tage mit chronischen Schmerzen zu leben. Angefangen hatte es bereits in jungen Jahren: Seit anfangs Zwanzig begleiteten Schmerzen in der Bauchgegend den Schriftsteller durchs Leben. Er begab sich auf eine lange Odyssee von Konsultationen bei Spezialisten und schmerzhaften Untersuchungen in Spitälern. Mit 51 Jahren musste er realisieren: die Schulmedizin konnte ihm nicht helfen. In einer strengen anglikanischen Pfarrersfamilie aufgewachsen, wurde ihm schon früh beigebracht, dass Strebsamkeit und Fleiss die wichtigsten Tugenden sind, um im Leben voranzukommen. Über den Körper machte man sich nicht allzu viele Gedanken, solange er funktionierte. Und so biss er die Zähne zusammen und arbeitete weiter.
Ein Gerangel im Kopf
Den Wendepunkt im schmerzgeplagten Leben des Tim Parks brachte ein Aufenthalt an einer Konferenz in Delhi. Vielleicht wusste die indische Heilkunst ein Rezept gegen seine Schmerzen? So besuchte er einen ayurvedischen Arzt. Doch der Rat des Arztes entsprach ganz und gar nicht seinen Erwartungen. «Wir können die Symptome behandeln», sagte der Arzt. «Allerdings ... ist das ein Problem, das Sie niemals lösen werden, solange Sie sich nicht mit dem grundlegenden Widerspruch in Ihrer Persönlichkeit auseinandersetzen. In Ihrem Kopf tobt ein Gerangel.» Diese Bemerkung machte ihn nachdenklich, liess ihn aber auch ratlos.
Dann stiess der Schriftsteller auf das Buch eines Arztes, das ihm den Heilungsweg aufzeigte: Stillsitzen. Der Kern des Problems lag nicht in seinen Organen, sondern in seinen Muskeln. Er lernte, dass sich bei Aufregung oder Stress die Muskeln anspannen. Die Muskeln ermüden, verkürzen sich und drücken Nervenstränge zusammen. Für Tim Parks begann ein Prozess der Selbstbeobachtung. Er realisierte, dass es keinen Zentimeter an seinem Körper gab, der nicht permanent angespannt war. Beim Reden spannte er seine Schultern an, beim Zuhören den Nacken und beim Lesen die Stirn. Er musste sich eingestehen: «Was meinen Körper betraf, beschleunigte und bremste ich die ganze Zeit im ersten und zweiten Gang, obwohl ich ebenso gut entspannt in den vierten hätte schalten oder sogar gemütlich im fünften hätte spazieren fahren können.»
Einfach stillsitzen
Wenn also die chronische Muskelermüdung als Folge der Anspannung die Ursache für seine Schmerzen war, wie konnte dann die Heilung aussehen? Die Antwort der Ärzte war schlicht und einfach: gezielte Entspannung. Und so startete der Skeptiker und unerschütterliche Rationalist einen Selbstversuch: An einem späten Nachmittag im Juni machte er die Tür seines Büros zu, legte sich hin, schob zwei Kissen unter seine Knie und atmete tief ein. In einem langen Prozess lernte er Schritt für Schritt, sich zu entspannen, sich auf seinen Körper zu konzentrieren und sich selbst zu beobachten. Nach wenigen Monaten waren die Schmerzen weg. Er erkannte, «dass ein grosser Teil der Schmerzen, die wir empfinden, von unserer Reaktion auf Schmerzen herrührt, und ein grosser Teil unserer inneren Unruhe von unserer aufgeregten Bereitschaft zur Unruhe.»

