Wie wir Entscheidungen treffen

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Vor Ihnen stehen drei Schüsseln mit Wasser. Das Wasser in der linken Schüssel ist eiskalt, das Wasser in der rechten Schüssel warm, jenes in der Mitte lauwarm. Nachdem Sie Ihre eine Hand eine Minute ins kalte und die andere ins warme Wasser getaucht haben, tauchen Sie beide Hände gleichzeitig ins mittlere Gefäss. Dieselbe Temperatur werden Sie einmal als warm und einmal als kalt empfinden.

So ähnlich verhält es sich mit unseren Entscheidungen. Je nachdem, wo wir im Leben stehen, entscheiden wir bei der gleichen Frage anders, denn wir nehmen sie anders wahr. Ein Student entscheidet sich viel eher, für 25 Franken pro Stunde Zeitungen zu verteilen, als jemand mit Arbeitserfahrung und regelmässigem Einkommen. Sogar die gleiche Person kann nur wenig später ganz anders entscheiden: Peter beispielsweise konnte letztes Jahr zwischen einer Lohnerhöhung und zusätzlichen Ferientagen wählen, beides ein Gewinn für ihn. Er wusste nicht, was wählen, also warf er eine Münze. Letzten Monat bot ihm nun der Chef an, die zufällig gewählte Lohnerhöhung gegen die Ferientage zu tauschen. Diesmal fiel Peter die Entscheidung leicht, ohne zu zögern antwortete er mit Nein: Eine Gehaltskürzung kommt nicht in Frage. Wie wäre es ihm wohl ergangen, wenn er die Ferientage genommen hätte? Wahrscheinlich ähnlich: an die zusätzliche Freizeit gewöhnt, würde er sie nicht eintauschen wollen.

Was wir erreicht haben oder was uns gehört, beeinflusst unsere Entscheidungen. Dies ist eine wesentliche Erkenntnis des Psychologen und Mathematikers Daniel Kahneman. Seit Jahrzehnten beschäftigt er sich mit der Frage, wie wir Entscheidungen treffen. Geweckt wurde sein Interesse durch die klassische ökonomische Theorie. Die geht davon aus, dass Menschen rational und egoistisch sind und ihre Entscheidungen immer darauf abzielen, möglichst viel Reichtum anzuhäufen. Als Psychologe konnte sich Kahneman nicht vorstellen, dass ein Mensch seine Entscheidungen so kühl und berechnend fällt. Also beobachtete er, fragte nach und stellte bald fest, dass die Theorie längst nicht alle Entscheidungen erklären kann. Er bemerkte, dass Menschen nicht immer nach dem grössten Gewinn streben, im Gegenteil: Wir verabscheuen Verluste stärker, als wir Gewinne lieben und können durchaus unwirtschaftlich und unvernünftig handeln!

Dass wir an unserem Besitz hängen, haben auch Hirnforscher festgestellt: Sie konnten nachweisen, dass wir Schmerzen empfinden, wenn wir Besitz aufgeben. Also entscheiden wir
entsprechend: Eine 50:50-Chance 10’000 Franken zu gewinnen oder zu verlieren, ist den meisten zu riskant. Die Möglichkeit, das Geld zu verlieren, wiegt viel mehr als die Freude über einen Gewinn derselben Summe. Was bedroht, werten wir stärker.

Hinzukommt, dass wir unsere Besitztümer überschätzen (Besitztumseffekt oder endowment-Effekt): Was uns gehört, schätzen wir als viel wertvoller ein, als wir es sonst tun würden.

Bei den meisten Entscheidungen mögen wir das Risiko nicht. Kahneman fand aber auch Ausnahmen: Wir schalten um, wenn wir verlieren. Wenn wir glauben, dass uns nur noch ein Wunder retten kann, gehen wir nicht mehr auf Nummer sicher – schliesslich muss man dem Wunder eine Chance geben. Wir werden risikofreudiger, wenn wir zwischen zwei verlustbringenden Möglichkeiten wählen müssen. Und wir entscheiden mutiger, wenn ein Projekt zu scheitern droht, in der Hoffnung, es so noch erfolgreich zu beenden.

Manchmal zählt bei unseren Entscheidungen aber auch allein die Möglichkeit (Möglichkeitseffekt): Wir kaufen uns ein Lotterielos, damit wir eine Chance auf den Gewinn haben, auch wenn diese Chance äusserst gering ist. Oder wir zahlen Versicherungsprämien, um uns vor ziemlich unwahrscheinlichen Unfällen oder Ereignissen zu schützen.

Das Gehirn ist unser wichtigstes Organ. Und doch wissen wir nur wenig darüber.

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