«Ich bin überzeugt, dass man Kreativität lernen kann»

Dieser Artikel stammt aus unserem Spendermagazin «das Gehirn». Unsere Zeitschrift «das Gehirn» erscheint viermal im Jahr und ist für Spenderinnen und Spender der Schweizerischen Hirnliga kostenlos. Lesen Sie weitere spannende Beiträge, indem Sie hier ein Probeexemplar bestellen.

Für den zweiten Teil unserer Reihe zu Kreativität und Gehirn zum Thema Musik haben wir mit dem erfolgreichen Leadsänger von Patent Ochsner, Songwriter und Maler Büne Huber über seine Kreativität gesprochen.

Büne Huber, in welchen Situationen haben Sie die besten Einfälle?
Ich habe bisher kein konkretes System erkennen können. Meine bevorzugte Arbeitssituation ist ein gleichzeitiges Mäandern zwischen Malerei, Musik und Text. Drei grundverschiedene Ausdrucksformen, die sich gegenseitig befruchten. Aber es liegt auch in der Natur der Sache, dass Einfälle einfallen. Einfälle fallen mit der Tür ins Haus und poltern rum, ungeordnet wie eine Horde Hooligans. Wenn man sie nicht beachtet, werden sie frech und pöbeln auch noch in den Nächten rum, wenn man eigentlich schlafen möchte.

Denken Sie, Ihre Kreativität wurde in Ihrer Erziehung speziell gefördert? Wenn ja, wie?
Wir wohnten im Tscharnergut in Bern und hatten eine sehr lärmempfindliche Nachbarin. Ich war für ihren Geschmack ein viel zu lebhaftes Kind. Meine Eltern schleppten tonnenweise Papier an, das ich mit allergrösster Leidenschaft bemalte. Solange ich zeichnete und malte und mir meine Geschichten ausdachte, hing der Haussegen nicht schief. Aus diesem Grund lobten mich meine Eltern wahrscheinlich über den Klee und beklatschten meine Einfälle. Das hat garantiert Spuren hinterlassen.

Hat sich Ihre Kreativität über die Jahre verändert?
Ich glaube, dass sie sich stetig verändert und stark von den Lebensumständen geprägt ist. Vor zwölf Jahren wurde ich von einer mächtigen Depression geplagt. Da gab’s während unendlich langen Monaten nicht ein einziges kleines Fünklein Kreativität. Und als das nach zwei Jahren endlich überstanden war, sprudelte es aus mir heraus. Ich stelle fest, dass die wilde und neugierige Welt meiner Kinder, der lustvolle Umgang mit Sprache, Geschichten und Bildern meine Freude am Ausdruck enorm beflügelt haben.

Sie schreiben nicht nur Songs, sondern malen auch; die Bilder wurden u. a. im Landesmuseum Zürich ausgestellt. Unterscheidet sich Ihr Gefühl von musikalischer Kreativität von demjenigen beim Malen?
Ich bin in der Malerei im Gegensatz zum Songwriting, wo ich eher zur Melancholie neige, leichtfüssiger, lustiger und verspielter. Weshalb das so ist, weiss ich auch nicht. Und ich suche auch nicht unbedingt nach einer Antwort.

Kann man Kreativität Ihrer Meinung nach schulen?
Ich bin überzeugt, dass man Kreativität lernen kann. Ich musste bei meinem Sohn Max ein einziges Mal auf eine Wolke im Himmel hinweisen und sagen «schau, da oben ist ein Löwe». Seither sieht er nicht mehr bloss in den Wolken, sondern in allen möglichen Alltagsgegenständen irgendwelche Dinge. Der Schritt, dass daraus auch noch Geschichten resultieren, ist sehr klein. Man kann Kreativität im Gegenzug aber auch abbremsen oder gar vernichten.

Was machen Sie, wenn Ihre Kreativität streikt? Passiert das überhaupt, und haben Sie ein Mittel dagegen?
Es ist mir ein bisschen peinlich, aber wenn die Dinge nicht wunschgemäss laufen, dann beginne ich, mit Alltagsgegenständen zu reden. Ich sage vielleicht zur Kaffeetasse: «Frau Feigenwinter, was starren sie mich so lüstern an? So etwas schickt sich doch nicht! Sie wollen doch nicht, dass ich Sie beim Chef verpetze!?» Und dann wehrt sich Frau Feigenwinter: «Was bilden Sie sich denn ein, Herr Huber! Ich steh kein verdammtes Scheissbisschen auf alte, übergewichtige Popmusikanten.» Diese Dialoge können endlos sein und jede Art von Blockade aufheben.

Haben Sie einen Rat für unsere Leserinnen und Leser, die gerne aktiv musizieren würden, aber den Einstig nicht finden?
Ach, wissen Sie, die Sachlage ist alles in allem recht einfach. Wenn man Musik machen möchte, dann sollte man Musik machen. Es ist egal, ob sich die Mitmenschen wie in den Asterix-Büchern, wenn Troubadix zu singen beginnt, Petersilie in die Ohren stecken. Man sollte es einfach tun und das helle Gefühl der Freiheit geniessen. Es müssen schliesslich nicht alle Leute auf der grossen Bühne des Madison Square Garden landen.

Mit Patent Ochsner und als Solokünstler hat Büne Huber seit 1991 elf Studioalben sowie zahlreiche Livealben und Singles veröffentlicht und an vielen musikalischen Kooperationen
– u.a. mit dem Swiss Jazz Orchestra – mitgearbeitet. Das neuste Album von Patent Ochsner, «Cut Up», ist 2019 erschienen.

Musizieren und das Gehirn

Von allen kreativen Formen des Hirntrainings dürfte musizieren diejenige sein, mit der wir unserem Gehirn am meisten Gutes tun. Musikmachen ist eine senso-motorische und kognitive Herausforderung. Für eine Klaviersonate beispielsweise müssen unser Gehör, unsere Augen, der Tastsinn sowie die Feinmotorik koordiniert werden. Dementsprechend stark unterscheiden sich die Gehirne von Menschen, die musizieren, von denen, die das nicht tun: Bereiche, die für die Koordination von Händen und Gehör zuständig sind, sind deutlich vergrössert.

Beherrscht man ein Instrument erst einmal, profitiert man auch in Spiel-Pausen: Die Aktivitätsmuster im Gehirn von Profimusikerinnen und Profimusikern sind beinahe identisch, ob sie selbst Musik spielen oder nur zuhören. Und auch für Laien gilt: Jedes Mal, wenn wir neue Stücke lernen, schaffen wir neue Nervenverbindungen. Ausserdem trainieren Proben unser Gedächtnis.

Auch ein Instrument zu erlernen, ist eine wahre Verjüngungskur fürs Gehirn – und in jedem Alter möglich. Für interessierte Erwachsene gibt es Anfängerangebote und Einstiegs-Intensivkure. Wer sich nicht gleich ein Klavier anschaffen möchte, kann auch kleiner anfangen: Querflöte oder Banjo sind beispielsweise sehr geeignete (und nicht allzu laute) Instrumente für einen unkomplizierten späten Einstieg. Wer es noch einfacher haben möchte: Suchen Sie Ihr Lieblingslied in der Karaoke-Version auf Youtube und schmettern Sie los.

Übrigens hat die Hirnforschung herausgefunden, dass man sich Dinge einfacher merken kann, wenn sie mit einer Melodie verknüpft sind. Versuchen Sie einmal, den Einkaufszettel oder eine Telefonnummer laut und immer mit der gleichen Melodie vor sich hin zu singen. Ob sie sich für musikalisch halten oder nicht, spielt dabei absolut keine Rolle.

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