Der innere Autopilot

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Wer kennt sie nicht, die kleinen geistigen Aussetzer: Da geht man zielstrebig vom Wohnzimmer in die Küche und fragt sich plötzlich, was man dort eigentlich wollte. Oder man steht frühmorgens vor dem Auto, um ins Büro zu fahren, doch der Autoschlüssel liegt in der Wohnung. Ist das einfach nur Schussligkeit oder steckt etwas Anderes dahinter? Wie kommt es zu diesen Fehlleistungen? Die Antwort lautet: Wir denken zu viel. Oder anders ausgedrückt: Wir haben den Kopf nicht bei der Sache. Die Forschung kennt dafür den Ausdruck «Default-Modus». In der Computer-Technologie bezeichnet man mit diesem Begriff die Werkseinstellungen, die verwendet werden, falls der Benutzer keine eigenen Einstellungen vornimmt.

Der «Default-Modus»
Es ist sehr spannend, zu beobachten, wohin unsere Gedanken den ganzen Tag hindurch überall hinschweifen. Meistens sind das entweder Erinnerungen an frühere Begebenheiten – wir besinnen uns etwa, wie dieses oder jenes gelaufen ist und wie es uns dabei ergangen ist – oder wir planen in die Zukunft. Der Geist wandert rastlos hin und her. Das macht evolutionsbiologisch durchaus Sinn: «Immer dann, wenn uns eine Situation keine Reaktionen abverlangt oder nur Routinehandlungen erfordert, so dass geistige Ressourcen zu Verfügung stehen, nutzen wir diese zum Erinnern, Nachdenken, Planen», erklärt der Meditationsforscher Ulrich Ott. Der Default-Modus hilft uns, Erfahrungen zu bewerten und unsere Strategien für ähnlich gelagerte Situationen in der Zukunft zu optimieren. Oft steht uns dieser Mechanismus aber im Weg. Das ist dann der Fall, wenn sich unsere Gedanken verselbständigen und wir ins Grübeln verfallen; oder wenn wir zerstreut durchs Leben stolpern,  Autoschlüssel und Brillen vergessen und Aufträge versäumen.

Meditation als Hemmung des Default-Modus
Der Professor für Molekularbiologie Jon Kabat-Zinn entwickelte in den 1970er Jahren eine Therapie für Stresspatienten: die Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion (engl. Mindfulness-Based Stress Reduction MBSR). Der Kern dieses Verfahrens liegt im Wesentlichen darin, mit Meditation den «Default-Modus» zu hemmen. Das bedeutet nun nicht, Gedanken einfach zu unterdrücken. Es geht vielmehr darum, auf eine bestimmte Weise aufmerksam zu sein: absichtlich, im gegenwärtigen Moment und nicht urteilend. Die Gegenwart wird bewusst und achtsam wahrgenommen – auch wenn man sich gerade gestresst fühlt, unzufrieden oder unglücklich ist.

Meditation als Denkschule
«Ein Grossteil unseres alltäglichen Verhaltens erfolgt nahezu automatisch und damit weitgehend unbewusst. Wir reagieren auf sich wiederholende Situationen mit angelegten und erlernten Verhaltensweisen» erklärt Ulrich Ott. Der Forscher ist überzeugt, dass Meditation helfen kann, ein grösseres Bewusstsein zu entwickeln und sich von eingefahrenen Denkmustern und Verhaltensweisen zu lösen. Ott betrachtet Meditation als eine Art Denkschule: «Wenn Sie sich z.B. Ihre gegenwärtige Körperhaltung bewusst machen, können Sie feststellen, wie aufrecht und wie entspannt Sie sind, ob Ihre Haltung bequem ist oder nicht, und sie gegebenenfalls verändern. Dieser Bewusstwerdungs- und Veränderungsprozess lässt sich ebenso auf körperliche Erregungszustände, emotionale Reaktionsmuster und das Denken anwenden».

Buchtipp: Jon Kabat-Zinn: Zur Besinnung kommen: Die Weisheit der Sinne und der Sinn der Achtsamkeit in einer aus den Fugen geratenen Welt, ISBN: 978-3-86781-246-7

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