Das Internet überfordert unser Gehirn

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Was bewirkt die digitale Welt in unserem Gehirn? Diese Frage beantwortet der Neurowissenschaftler Lutz Jäncke in seinem Buch. Und legt so offen, dass der Mensch biologisch an die digitale Welt nicht angepasst ist.
Der Homo sapiens streift seit rund 200 000 Jahren durch die Welt. Rund 199 985 Jahre tat er dies ohne Smartphone. Dieses hat unsere Art, zu leben innert nur einem Jahrzehnt sehr stark verändert. Informationen prasseln nun rund um die Uhr auf uns und unser Gehirn herab, digitale Reize locken in jedem einzelnen Moment. Was bedeutet das für das biologische Wesen Mensch?

Dieser Frage geht der Neurowissenschaftler Lutz Jäncke in einem neuen Buch nach. Er ist Professor für Neuropsychologie an der Universität Zürich und beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit den neuronalen Grundlagen des Lernens und des Gedächtnisses. In dem Buch erklärt er eindrücklich, wie das Internet das menschliche Gehirn auf verschiedenen Ebenen überfordert. Er zeichnet nach, wie der moderne Mensch von der technischen Entwicklung überrollt wird, ohne dass er für diese digitale Welt biologisch vorbereitet wurde. Verhaltensmuster, die der Mensch über die letzten 70 000 Jahre entwickelt hat und die ihm das Überleben sicherten, stossen nun an Grenzen – ja schlagen ins Negative um.

Disziplin vs. Lust
Das Grundproblem: Die enorme Vielfalt von Informationen im Netz führt zu einer unüberschaubaren Menge an Auswahlmöglichkeiten, die uns überfordern. Zudem bietet das Internet Zugang zu Reizen, die menschliche Bedürfnisse befriedigen, erotische oder gewalttätige Inhalte sind Beispiele dafür. Nur: In der echten Welt würde die Befriedigung dieser Reize aus sozialen Gründen gehemmt, man würde seiner Lust nicht nachgeben.

Das funktioniert so: Grob gesagt besteht das Gehirn aus «alten» Hirnstrukturen und aus evolutionär neu entstandenen Gehirnbereichen. Die alten Hirnstrukturen sind für emotionale Impulse zuständig Das Internet überfordert unser Gehirn Was bewirkt die digitale Welt in unserem Gehirn? Diese Frage beantwortet der Neurowissenschaftler Lutz Jäncke in seinem Buch. Und legt so offen, dass der Mensch biologisch an die digitale Welt nicht angepasst ist. und stark genetisch geprägt. Die neueren Hirnstrukturen, unteren denen das sogenannte Stirnhirn die wichtigste ist, hemmen und kontrollieren die emotionalen Impulse. «Vereinfacht kann man sich das Zusammenwirken der alten und der neuen Gehirnsysteme wie zwei sich ständig gegenseitig beeinflussende und in Schach haltende Kontrahenten auffassen», schreibt Jäncke. Hier wird ein ständiger Kampf zwischen Disziplin, Belohnungsaufschub und Lust ausgetragen. Doch das Internet verändert die Spielregeln.

Sklaven der digitalen Reize
Hier kann sich jeder jederzeit seiner Lust im weitesten Sinn hingeben. Dadurch werden die alten Hirnstrukturen gestärkt und können die Überhand gewinnen. Das Stirnhirn, das auf die Kontrolle von Emotionen, Motivation, Aufmerksamkeit und Selbstdisziplin spezialisiert ist, verliert zunehmend an Macht. Das ist insbesondere bei Teenagern, deren Gehirn sich noch in der Entwicklung befindet, problematisch. «Der Mensch von heute wird zu einem Gefühlsjunkie erzogen, was dazu führt, dass er immer abhängiger von Emotionen wird – die nur dann befriedigt werden, wenn sie mit immer stärkeren Reizen verbunden sind.» Kurz: Wir werden süchtig nach den Reizen des Internets und stumpfen gleichzeitig ab.

Lutz Jäncke plädiert deshalb dafür, Aufmerksamkeit und Selbstdisziplin explizit zu üben, um den Verlockungen des Internets gewachsen zu sein.

Lutz Jäncke: Von der Steinzeit ins Internet. Der analoge Mensch in der digitalen Welt. Hogrefe Verlag, 2021. CHF 35.90. ISBN: 978-3-456-86150-0

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